Zum Karriereende von Timo Boll
Tischtennis ist in Deutschland ein Volkssport. Trotzdem wird er von den Medien immer noch recht stiefmütterlich behandelt und das trotz Regeländerungen, die das schnellste Rückschlagspiel der Welt — beim Schmetterball werden Geschwindigkeiten von 170 km/h erreicht — für den Zuschauer attraktiver machen sollten.
Ich selbst habe mit zwölf Jahren angefangen, im Verein zu spielen. Durch das auswärtige Studium ist dann irgendwann das Vereinsengagement allmählich eingeschlafen.
Aber ich denke oft und gerne an diese Zeit zurück. Auch wenn wir mit der Mannschaft nicht über die Bezirksklasse hinauskamen, erinnere ich mich gut an mit großer Leidenschaft ausgetragene Meisterschafts- und Pokalspiele mit anschließendem gemütlichen Zusammensein mit der gegnerischen Mannschaft in einer der damals noch zahlreichen Dorfkneipen.
Ende der 80er Jahre hatte der deutsche Tischtennissport eine Hochzeit. Die Weltmeisterschaft in Dortmund 1989 gab ihm einen gewaltigen Popularitätsschub. Jörg Roßkopf und Steffen (»Speedy«) Fetzner gewannen erstmals für Deutschland die Doppelkonkurrenz. Wir schauten das Spiel mit der ganzen Tischtennisabteilung unseres Vereins in einem Dorfgemeinschaftshaus und feierten danach ausgelassen bis in die Nacht. Nach jahrzehntelanger asiatischer Vorherrschaft wurde das modernste Tischtennis auf einmal in Europa gespielt. Eine »goldene Generation« schwedischer Spieler dominierte ein Jahrzehnt das Spiel mit dem weißen 2,4 Gramm leichten Plastikball, der zu meiner Zeit noch aus Zelluloid bestand. Namen wie Mikael Appelgren, Jörgen Persson und vor allem der »Mozart des Tischtennis« – Jan-Ove Waldner – haben sich damals in die Annalen des Tischtennissports eingeschrieben.
Heute ist China wieder die Tischtennisweltmacht Nr.1. Doch gelang es dem Mann, der in diesen Tagen 44-jährig sein Karriereende bekanntgab, immer wieder diese Vormacht herauszufordern: Timo Boll! In China ist er eine Legende und bekannter als in seinem Heimatland. Sein Offensivspiel hatte eine besondere Dynamik. Manchmal wechselte er sogar die Spielhand im Ballwechsel. Er ist der einzige deutsche Tischtennisspieler, der es an die Position 1 der Weltrangliste schaffte. Dabei ist er bescheiden und bodenständig geblieben. Tischtennis ist ein Sport, in dem Fairplay zum Ehrenkodex gehört. So werden Kantenbälle, die vom Schiedsrichter nicht gesehen werden, vom bevorteilten Spieler angezeigt. Timo Boll war einer der Fairsten unter den Fairen. Er war ein echtes Vorbild. Ich hoffe, daß er dem Tischtennis treu bleibt und seine große Erfahrung der jungen Generation zur Verfügung stellt. Danke, Timo Boll!