In der Bündischen Jugend galt der Leitspruch »Jugend muß durch Jugend geführt werden« [1]. Damit setzte man sich bewußt von der »Jugendpflege« der Erwachsenenorganisationen und den Pfadfindern britischer Prägung ab, bei denen ein von der Bundesorganisation eingesetzter Erwachsener in kurzen Hosen die Kinder seines »Fähnlein Fieselschweif« betreute.
Die Jugendautonomie hatte nichts mit dem anarchischen Motto »Kinder an die Macht« zu tun, denn die Jüngsten wurden durchaus von älteren Jugendlichen angeleitet, die ihrerseits mit ihren Aufgaben früh an die neue Verantwortung herangeführt wurden. Erst bei den Älteren war es dann so, daß der Primus inter pares aus der eigenen Mitte hervorging. Es war ein sehr erfolgreiches Konzept, das starke Persönlichkeiten hervorbrachte und in den Gruppen zu einer ungeheuren kreativen Entfaltung führte.
Es ist kein Geheimnis, daß sich der AfD-Bundesvorstand mit der Akzeptanz eines Jugendverbandes schwer tut. Das ist vor dem Hintergrund der Verbotsdebatte nachvollziehbar, besonders da hier mit zweierlei Maß gemessen wird. [2]
Es ist genauso wenig ein Geheimnis, daß ich mich — als ehemaliger Vertrauenslehrer — immer noch als Fürsprecher und Vermittler zwischen den Generationen sehe. Die berechtigte politische Vorsicht darf nicht dazu führen, daß die Jugend- und Vorfeldarbeit vernachlässigt wird. Schon in unserer kurzen Parteigeschichte verdanken wir wichtige Spitzenpolitiker der JA — und zwar genau wegen ihrer Eigenständigkeit. Von einem Club karrieristischer Anpasser und Befehlsempfänger hat die Partei keine neuen Impulse zu erwarten.
Wir brauchen auch Widerspruch! Wenn wir über die Wehrpflicht oder die Rente sprechen, muß die Stimme derer, die mit den Konsequenzen zu leben haben, in unserer Partei ein besonderes Gewicht haben. Möglich, daß die Antworten anders ausfallen als die einer Generation, die im »Kalten Krieg« (aber in Frieden) aufgewachsen ist, in Zeiten, als die Gewaltenteilung noch funktionierte und der Rechtsstaat noch nicht so korrumpiert war. Dieser Dialog ist wichtig!
Die Selbstauflösung der JA fand zu einem Zeitpunkt statt, als sie organisatorisch einen Höhepunkt erreicht hatte. Sie hatte ihre eigene Form gefunden — auch in der Ästhetik. Das kam bei den Jüngeren gut an. Das konnten wir auch am Wahlverhalten der Erstwähler feststellen. Warum sollte man das, was gut war, opfern? Ein neuer Jugendverband braucht nicht zwingend auch einen neuen Namen. Die JA könnte wie ein Phönix aus der Asche auferstehen: Professioneller, aber eben nicht ferngesteuert. Unsere jungen Mitstreiter opfern nicht selten eine bürgerlich-berechenbare Lebensplanung. Das sollten wir bei allen klugen und taktischen Entscheidungen (die uns von unseren Gegnern ohnehin nie gedankt werden) nicht aus dem Blick verlieren. Gerade deswegen verdienen sie immer wieder aufs Neue unseren Vertrauensvorschuß. Die neuen Regeln sollten sie nicht übermäßig einschränken. Wir müssen sie einfach mal machen lassen!
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[1] Die Konrad-Adenauer-Stiftung führt den katholischen »Bund Neudeutschland« als Schöpfer dieses Leitspruchs an. Das Prinzip galt allerdings in allen Bünden der Bündischen Jugend — bis heute.
[2] Selbst Solidaritätsbekundungen für linksextreme Gewalttäter und Gedankenspiele über den bewaffneten Kampf führen bei Jusos und der Grünen Jugend nicht dazu, daß sie zu einem »Verdachtsfall« des Verfassungsschutzes werden, während bei der AfD jeder Halbsatz immer auf die boshafteste Weise ausgelegt wird.