Und wofür genau sollen wir jetzt sterben?
Wehrpflicht bedeutet heute, daß eine Regierung bereit ist, junge Menschen in den Krieg zu schicken. Und Krieg bedeutet immer auch: Tod oder die Aussicht, schwer verstümmelt und traumatisiert nach Hause zu kommen. Kann man das überhaupt von anderen verlangen? Und wer maßt sich an, leichtfertig mit der Möglichkeit eines Krieges zu spielen?
Wir sehen, wer heute am lautesten in die Kriegsrhetorik einstimmt. Es sind unter den Politikern vor allem die Ungedienten — jene, die selbst den Dienst an der Waffe verweigerten. Wir vergessen nicht, wie schäbig die letzten Regierungen Soldaten behandelt haben. Stets sprachen sie mit Argwohn und Verachtung vom Soldatenstand. Wir sehen, wie heruntergekommen die Denkmale vergangener Kriege sind. Und nun soll plötzlich alles ganz anders sein?
Diese Politiker sind nicht nur durch ihren eigenen Lebenslauf völlig unglaubwürdig, sie kommen auch ins Stottern, wenn sie die Gründe darlegen sollen, wofür junge Menschen in unserem Land notfalls in den Tod gehen sollen. Das müssen schon sehr gute Gründe sein! Hohle Phrasen genügen dafür nicht.
Wehrpflicht kann aber auch etwas anderes bedeuten: Daß der Staat seine Bürger in die Lage versetzt, sich zur Wehr zu setzen, um das Eigene zu verteidigen. Das wäre die Idee einer Volksmiliz, wie wir sie aus der Schweiz kennen. Doch unsere Regierung mißtraut den eigenen Bürgern zu sehr, als daß sie Soldaten erlaubte, nach der Dienstzeit ihre Waffe mit nach Hause zu nehmen.
Warum wohl?
»Sobald die Gesetzgeber danach trachten, das Eigentum des Volkes wegzunehmen und zu zerstören oder es unter willkürliche Macht in Sklaverei zu stürzen, versetzen sie sich selbst in einen Kriegszustand mit dem Volk, das dadurch von jeder weiteren Gehorsamspflicht entbunden ist und auf das gemeinsame Refugium zurückgreifen darf, das Gott allen Menschen gegen Gewalt und Unrecht bereitgestellt hat.« [Aus: »Two Treatises of Government«, John Locke]
Sie sind kaum noch in der Lage, Wahlen zu gewinnen — nun wollen sie Kriege gewinnen. Und das mit den Bürgern, die sie aus ihrem tiefsten Inneren verachten.
»Der Staat hat mich nie gekannt, nie angesehen. Ich habe ihn immer nur kennen gelernt, wenn er wie ein von der Sauftour heimkehrender Vater mich entdeckte und prügelte. Fallen Sie nicht auf die Lüge hinein, daß Vaterland gleich Staat ist.«
[Joachim Fernau]
Für »den Staat« zu sterben ist niemand freiwillig bereit — für ein Vaterland sehr wohl. Das setzt aber voraus, daß man damit überhaupt noch etwas verbinden kann. Strenggenommen können echte Demokratien keine Kriege führen — jedenfalls nicht in der Form, daß eine Regierung eigenmächtig den Kriegszustand beschließt. Das Volk wird nicht gefragt, und ist der Notstand erst von oben ausgerufen, dann gelten auch die Grundprinzipien einer Demokratie, dann gilt echte Freiheit nichts mehr.
Welche »Werte« gilt es also zu verteidigen?
Solange darüber keine Einigkeit herrscht, gilt, was Immanuel Kant schon schrieb:
»Es ist unrecht, Menschen als bloße Werkzeuge oder Maschinen zu gebrauchen, um andere Menschen zu töten.«
[Aus: »Metaphysik der Sitten«]






