Nationaler Block

Buchbesprechung: Nationaler Block – Das System der nationalen Zusammenarbeit
Laut einer aktuellen, repräsentativen Umfrage rechnet die Mehrheit der Bundesdeutschen damit, daß die AfD in mindestens einem Bundesland im Osten dieses Jahr die absolute Mehrheit erringen und den Ministerpräsidenten stellen wird. Wenn dem so sein sollte, sind die in Verantwortung Gewählten gut beraten, sich über die speziellen Gelingensbedingungen einer AfD-Regierung im Klaren zu sein.
Ein Blick nach Ungarn hilft, denn dort hält sich seit 16 Jahren gegen den Widerstand globaler Akteure und der EU-Nomenklatura eine konservativ-patriotische Regierung im Amt. Nein, sie hält sich nicht nur, sie hat durch eine kluge, strategisch geplante Arbeit Zweidrittel der Ungarn zuverlässig auf ihre Seite gebracht, hat nicht nur ein politisches System der »nationalen Einheit« etabliert, sondern darüber hinaus – und das bedeutet »Nachhaltigkeit« in der Politik – eine »Epoche« kulturell geprägt.
Márton Békés zeichnet in seinem Buch »Nationaler Block« den Siegeszug des Viktor Orbán nach, der – das sei angemerkt – auch Niederlagen einstecken mußte, daraus allerdings die richtigen Schlüsse zog.
Überrascht hat mich bei der Lektüre nicht, daß sich auch der ungarische Ministerpräsident ausführlich mit Antonio Gramsci beschäftigt haben muß. Ob er tatsächlich alle 3000 Seiten von dessen berühmten »Gefängnisheften« gelesen hat, das darf sicherlich bezweifelt werden, aber er scheint mit seinen Mitstreitern zentrale theoretische Erkenntnisse des Italieners adaptiert und in die Praxis umgesetzt zu haben. Békés skizziert deshalb zurecht eingangs das Denken Gramscis, schält mit »Hegemonie«, »historischer Block« und »Konsens« drei zentrale Begriffe heraus und fast die Essenz folgendermaßen: »Letztere besteht in nichts anderem als dass unter demokratischen Bedingungen die Errichtung eines stabilen gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Systems (Hegemonie) die Schaffung einer gesellschaftlichen Mehrheit (historischer Block) voraussetzt, die aufgrund ihrer Interessen und Werte die bestehende Ordnung freiwillig unterstützt (Konsens).« (S. 26)
Auf X konstatierte ich vor Kurzem, daß Deutschland erneut an den Rand des Abgrundes regiert worden ist und fragte: »Liegt es vielleicht daran, daß die maßgeblichen Entscheidungen für Deutschland nicht in Deutschland getroffen werden?« Ähnliches mußte Viktor Orbán vor Jahrzehnten für sein Heimatland diagnostiziert haben, als dieses noch fest im Griff internationalistisch-linker bzw. mit diesen in Liaison verbundener globalistischer Kräfte war. Sein Ziel, das er dann auch erreichte, war ein von innen gesteuertes, im Wortsinn »volkssouveränes« Ungarn. Von diesem Zustand ist Deutschland weit entfernt: Gibt es in Ungarn eine nationale Regierung und eine internationale Opposition ist es in Deutschland genau umgekehrt!
Hierzulande haben die international mobilen »Anywheres« immer noch das Sagen gegenüber den ortsgebundenen »Somewheres«. Diese globale Konfliktlinie, die der britische Journalist David Goodhart 2017 in seinem Bestseller »The Road to Somwhere« entfaltete, wird von Márton Békés wiederholt in Erinnerung gerufen. Wollen die Ersteren eine Integration des von allen Traditionen und Bindungen befreiten isolierten Individuums in globale Institutionen, wollen die Letzteren den Erhalt der Nation als gewachsene Entität und Schutzraum für Heimatgefühl, familiären Zusammenhalt und religiöse Bindung.
In Ungarn hat Orbán jedenfalls ab 2010 im Sinne der »Somewheres« durchgegriffen:
Er hat den Einfluß von EU, Weltbank, IWF, Atlantik-Brücke, Bertelsmann-Stiftung maßgeblich zurückgedrängt. Die globalistische Wühlorganisation »Open Society Foundations« ist per Volksabstimmung aus dem Land verbannt worden. Sowieso setzt sich die Orbán-Regierung immer wieder in direkten Kontakt zum Volk: Neben den von der Regierung initiierten Volksabstimmungen gibt es regelmäßig sogenannte »nationale Konsultationen«, in denen Volkes Stimme transparent gemacht wird. Darüber hinaus erlebt Ungarn Friedensmärsche und natürlich große Gemeinschaftsfeste anläßlich nationaler Feiertage im Zusammenhang mit Revolution oder Staatsgründung. Neben der staatspolitischen Ebene nimmt der Autor auch die parteipolitische Ebene in den Fokus und stellt dar, daß der Siegeszug der Fidez nicht als parlamentspatriotische Partei geglückt wäre.
Ist nun die ungarische Strategie der nationalen Zusammenarbeit auf Deutschland übertragbar?
Grundsätzlich ja, denn die Herrschaft des neoliberalen Globalismus ist durch Wirtschaftskrise, Migrationskrise und Pandemiekrise diskreditiert.
Aber ihre Umsetzung dürfte viel länger dauern bzw. wird hierzulande Rückschläge zu verkraften haben.
Denn Deutschland ist nicht Ungarn: Unsere Gesellschaft ist schon stark fragmentiert, die Kollateralschäden des globalistischen Universalismus sind hier besonders groß, unsere Identität ist gebrochen und wir sind das zentrale Land in Europa.
Letzteres bedeutet, daß der hegemoniale Zugriff grundsätzlich viel rigider erfolgt.
Was das zunächst einmal für die anstehenden Ostwahlen bedeutet, werden wir sehen.
Buchbesprechung: Nationaler Block - Das System der nationalen Zusammenarbeit
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