Es gibt in weiten Teilen der Bevölkerung Vorurteile gegenüber dem Beamtentum, vor allem, wenn man nur neidisch auf die Privilegierung dieses Berufsstands schaut. Aber unsere Demokratie wäre undenkbar ohne diese Staatsdiener, die im Idealfall bieder, rechtschaffen und politisch neutral dem Gemeinwohl verpflichtet sind. Der unkündbare Beamte, der sich notfalls auch gegen kriminelle Weisungen der Regierung stellen kann, ist ein letztes Erbe des preußischen Staatswesens.
Immer wieder gab es Versuche der Politik, diesen Aspekt der Gewaltenteilung auszuhöhlen und sich die Beamten gefügig zu machen – aber keine Regierung der Bundesrepublik war darin so dreist und radikal, wie die jetzige. Beim neuen Disziplinarrecht haben wir es mit einem Angriff auf unsere freiheitliche demokratische Grundordnung zu tun. Sollte diese neue Regelung Bestand haben, wird das das Wesen unseres Staates grundlegend verändern. Bürger, die die DDR erlebt haben, wissen, in welche Richtung das geht.
Keilani Fatina faßte es in der NZZ zusammen: »Das neue Disziplinarrecht umfaßt auch Richter. Bis zum Äußersten gedacht, eröffnet es die Möglichkeit einer bereinigten Justiz, die der Exekutive nicht mehr gefährlich werden kann. Zudem ist die Beweislast umgedreht: Der aus dem Dienst entfernte Beamte muß seine Tadellosigkeit nachweisen. Er hat dabei nicht mehr die vollen Bezüge, und falls er sich der Bezahlung ›nicht würdig‹ erweist, bekommt er sogar gar nichts.«
Die Trennung von Justiz und Exekutive ist aufgehoben, die Unschuldsvermutung gilt nicht mehr: Beamte können völlig willkürlich per Federstrich entlassen werden und erhalten dann auch kein Arbeitslosengeld I, da sie nicht versichert sind. Mit dieser Aussicht schafft sich diese Regierung abhängige Funktionäre.
Die Regierung handelt verfassungswidrig und sie schafft so schnell Tatsachen, daß wir mit der juristischen Aufarbeitung gar nicht mehr hinterher kommen.