»Der Westen« als Sammelbegriff der USA und ihrer Satelliten verliert zunehmend an Attraktivität für den Rest der Welt. Das liegt einerseits an der offenkundigen Diskrepanz zwischen der moralischen Elle, die man an andere anlegt, und der selbstpraktizierten knallharten Interessenpolitik, für die gerne auch demokratisch gewählte Staatsführer gestürzt oder völkerrechtswidrige Angriffskriege vom Zaun gebrochen werden. Andererseits ist es jedem Menschen mit Restverstand klar, daß eine »Wertegemeinschaft«, die unzweifelhaft das Endstadium der Dekadenz erreicht hat, schwerlich das Schlußkapitel der Weltgeschichte sein kann. Einmal mehr ist es der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, der »dem Westen« den Spiegel vorhält.
Er scheint zu wissen, daß Demokratie ohne Meinungsfreiheit noch nicht einmal gedacht, geschweige denn gelebt werden kann. Aber gerade diese Meinungsfreiheit ist es, die in der westlichen Sphäre praktisch jeden Tag ein Stück mehr verschwindet. Im Hinblick auf den inhaftierten Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks – Julian Assange – sagte er jetzt in London: »Es ist eine Schande, daß ein Journalist, der die Verbrechen eines Staates gegen andere anprangert, im Gefängnis sitzt, dort zu sterben verurteilt ist und wir nichts tun, um ihn zu befreien.«
Danke, Herr Präsident, für Ihren Mut. Die Welt ist in Bewegung – und das ist auch gut so!